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Erste deutsche Frau im All

„Raumfahrt ist für unsere moderne Gesellschaft essentiell“: Interview mit Dr. Suzanna Randall von „Die Astronautin“

Dr. Suzanna Randall
Dr. Suzanna Randall
Marskolonien, Klimaschutz und die Relevanz von Raumfahrt: Ein Gespräch mit Astrophysikerin und Astronautenanwärterin Dr. Suzanna Randall

Dr. Suzanna Randall ist Astrophysikerin und arbeitet als Forscherin an der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Garching, doch seit 2016 hat sie einen anspruchsvollen Nebenjob: Sie ist eine der zwei Kandidatinnen, die von der Initiative „Die Astronautin“ ausgesucht wurden und trainiert jetzt, um vielleicht die erste deutsche Frau im All zu sein. „Die Astronautin“ ist eine Stiftung mit einem klaren Ziel: Die erste deutsche Frau in den Weltraum bringen und so Geschichte schreiben. Denn mit den staatlichen Missionen waren bis jetzt nur Männer unterwegs.

Vielleicht fangen wir mit einem kurzen Update an: Wir hatten ja im Oktober bereits ein Gespräch für unsere Kaffeepause, in dem Sie meinten, dass die Mission für 2021 verschoben werden musste. Gibt es dazu schon News? 

Nein, nicht wirklich. Es läuft jetzt alles wieder langsam an, wir haben jetzt wieder Gespräche. Die Politiker sind auch wieder im Wahlkampfmodus und bereit, über etwas anderes als Corona zu sprechen. Aber sowas geht ja auch nicht in ein paar Monaten. Wir haben während der Corona Zeit wirklich Pause gemacht, auch mit der Akquise. Also ich denke es wird auf keinen Fall nächstes Jahr, wenn dann Anfang 2023.  

 

Das Motto unserer Themenwoche ist: „Zukunft und Innovation“ – Was bedeutet Innovation für Sie?  

Für mich bedeutet Innovation dieses „aus der Box heraus“-Denken. Also, dass man die althergebrachten Muster und Strukturen und auch das Wissen in Frage stellt und sich auch mal traut, gegen den Mainstream zu gehen. Auch Dingen offen gegenüberzustehen, die auf den ersten Blick vielleicht fantastisch oder unrealistisch erscheinen. Dass man nicht sagt – und das passiert ganz viel vor allem bei Unternehmen  – „Das haben wir immer schon gemacht, also bleiben wir auch dabei“. Sondern, dass man sich immer fragt: „Okay, es klappt. Aber würde es auch besser gehen?“. Das ist für mich Innovation. 

 

Also vielleicht auch ein bisschen nach den Sternen zu greifen?  

So kann man es ausdrücken, ja. Ich habe das „nach den Sternen greifen“ nur schon so oft gesagt, deshalb finde ich das mittlerweile ein bisschen abgegriffen.  

 

Was sind denn noch so Aussagen, die Sie überhaupt nicht mehr hören können, weil sie Ihnen zu oft in den Mund gelegt wurden?  

Gut, vielleicht muss ich das mit dem „nach den Sternen greifen“ relativieren – ich finde das sehr schön. Ich habe das auch selber schon oft gesagt, ich finde das ein super schönes Bild. Es ist nur wie mit Allem, wenn man es zu oft sagt: Irgendwann nutzt es sich ab, deshalb versuche ich ein bisschen zu variieren. Was ich sonst nicht mehr hören kann – Ich habe einmal gesagt: „Ich würde lieber im All verglühen, als auf dem Sofa sterben“. Das ist mir lange Zeit nachgehangen. Heute denke ich mir okay, das war ein bisschen überspitzt ausgedrückt.  

 

Wie glauben Sie, dass sich die Menschheit in den nächsten hundert Jahren weiterentwickelt? 

Puh, also ich glaube wir stehen zurzeit an einem Scheidepunkt. Das große Thema ist natürlich die Klimakrise – ich hoffe, dass wir da die Kurve kriegen und in den nächsten hundert Jahren immer noch einen Planeten haben, auf dem wir leben können. 

Wir sind zurzeit außerdem sehr durch ein kurzzeitiges Denken geprägt, wie „Profit jetzt“.  Ich hoffe, dass wir uns als Gesellschaft in den nächsten hundert Jahren dahin bewegen, dass wir langfristiger denken. Und vor allem auch gemeinsam langfristig. Nachhaltig und nicht ausschließlich durch Profit geprägt. 

 

Falls das nicht klappt und die Erde tatsächlich unbewohnbar wird: Was halten Sie denn von Kolonien auf beispielsweise dem Mars?  

Also ich denke, dass wir in hundert Jahren Marskolonien haben werden. Das wäre schön. Der Mars ist natürlich der nächste logische Schritt, nachdem wir vom Mond zurückgekehrt sind. Aber ich glaube nicht, dass wir die gesamte Erde umsiedeln können. Das ist immer so ein Trugschluss: „Ach ja, wir machen unseren Planeten kaputt und dann suchen wir uns einfach einen Anderen“. Also erstmal ist der Mars sehr viel kleiner – das heißt die ganze Erdbevölkerung würde gar nicht drauf passen – und zweitens ist er auch einfach nicht habitabel. Da gibt es keinen Sauerstoff, die Atmosphäre und die Schwerkraft sind zu schwach und außerdem ist er zu kalt. Da gibt es tausend Probleme. Von daher: Ja, ich glaube schon, dass wir weiter ins Weltall aufbrechen werden. Aber das nimmt uns nicht aus der Verantwortung, unseren eigenen Planeten zu schützen. Denn der wird auch noch in den nächsten tausend Jahren der Hauptort für uns Menschen sein.  

 

Wenn man Ihnen einen Flug zu einer Marskolonie anbieten würde, auf der Sie dann die nächsten zwei Jahre leben müssten, würden Sie es machen? 

Ich würde es machen, wenn es seriös ist. Also wenn es wirklich von der NASA, der ESA oder meinetwegen SpaceX angeboten werden würde, mit Sicherheitskonzept und Rückfahrtticket. Dann wäre ich da dabei, ja.  

 

Nach der ersten Mondlandung war die Begeisterung für die Raumfahrt groß, ebbte aber auch schnell wieder ab. Zurzeit sprechen auch viele Medien von einem ähnlichen Aufschwung der Begeisterung, einem neuen „Space Age“ quasi. Können Sie das bestätigen? Woher kommt diese wiederentdeckte Begeisterung für das All?  

Ich merke das auch, ja. Für mich – und ich glaube auch die meisten Anderen – kommt das ganz klar durch die Kommerzialisierung. Dass es jetzt mehr Anbieter gibt, die Menschen in den Weltraum schicken können. SpaceX ist jetzt das aktuell große Beispiel, aber in den nächsten Jahren werden da mehr dazu kommen. Boeing, Virgin Galactic, und so weiter: Es gibt eine Menge kommerzielle Firmen die darauf drängen, Menschen in den Weltraum zu schicken. Deswegen ist die Raumfahrt, wenn vielleicht nicht im Mainstream, dann doch als reale Möglichkeit in der Vorstellung der Menschen angekommen. Daher kommt viel der Begeisterung.  

Ich habe das Gefühl, dass zurzeit sehr viel passiert in der bemannten Raumfahrt und das war seit der Shuttle Ära nicht mehr so. Klar, als die ISS gebaut wurde gab es nochmal viel Aufsehen, aber die gibt es jetzt ja auch schon seit zwanzig Jahren. Die Tatsache, dass jetzt kommerzielle Anbieter auf den Markt drängen ändert alles. Es wird ja von Weltraumhotels gesprochen oder davon, zurück zum Mond zu gehen, oder noch mehr Richtung Mars zu pushen. 

Das hat sicher auch mit SpaceX und den ganzen kommerziellen Anbietern zu tun und ich sehe das sehr positiv. Weil wir einen richtigen Push erleben und vorwärts kommen wollen.  

 

Hat das Thema Raumfahrt überhaupt Relevanz für „normale“ Menschen? 

Raumfahrt hat für uns alle eine Relevanz, weil es für die Menschheit als Ganzes unglaublich wichtig ist. Das heißt aber natürlich nicht, dass es für jeden Einzelnen unbedingt wichtig sein muss. Ich finde beispielsweise auch Musik oder Literatur oder Kunst wahnsinnig wichtig. Aber es gibt sicher Menschen die keine Affinität zu diesen Dingen haben, denen das persönlich nicht unedingt wichtig ist und das ist auch vollkommen in Ordnung. Es muss nicht jeder Raumfahrtbegeistert sein, aber die Raumfahrt im weiteren Sinn bestimmt auch unser tägliches Leben. Da muss man nur mal an ein GPS denken, das läuft über Satelliten. Das kann man auch Jemandem sagen, der sich vielleicht null für den Weltraum interessiert: „Hey, ohne Raumfahrt hättest du dein Navi nicht“. Da könnte man auch nicht überall auf der Welt telefonieren oder Internet haben. Die Raumfahrt ist in unserer Gesellschaft im Alltagsleben angekommen und nicht mehr wegzudenken. Raumfahrt ist für unsere moderne Gesellschaft essentiell.  

Worüber man sich streiten kann ist die astronautische Raumfahrt, also Menschen ins All zu schicken. Es gibt auch viele Raumfahrtenthusiasten, die nicht pro astronautische Raumfahrt sind, da man ja alles mit Robotern machen könne. Aber ich persönlich finde die astronautische Raumfahrt nach wie vor wichtig. Weil es etwas ist, das die Menschheit allgemein begeistert und zusammenhält. Aber auch weil es ganz klar medizinische Relevanz hat: Wenn man den menschlichen Körper länger in der Schwerelosigkeit hat, kann man wahnsinnig viel darüber lernen – was auch der medizinischen Forschung auf der Erde zu Gute kommt.  

 

Und diese medizinische Forschung ist ja auch einer der Schwerpunkte der Organisation DIE ASTRONAUTIN, mit der Sie vorhaben, ins All zu fliegen.  

Genau. Ich würde sagen, wir haben zwei Hauptthemen. Einerseits den medizinischen Aspekt, was für mich fast noch der Wichtigere ist, ist aber die Vorbildfunktion. Gerade durch Corona haben wir wieder einen Schritt zurück gemacht, was die Gleichberechtigung angeht, Frauen leisten immer noch mehr der Care-Arbeit und so weiter und so fort. Deshalb denke ich ist es wahnsinnig wichtig dieses Signal zu schicken, auch um Vorbilder für unsere Gesellschaft zu schaffen. Aber natürlich wollen wir – wenn wir schon mal da sind – unsere Körper auch dafür nutzen, um medizinische Forschung an Frauenkörpern voranzubringen. Denn dafür haben wir in Deutschland noch keine Rohdaten, weil wir noch nie eine deutsche Frau im All hatten. 

 

Gibt es etwas, das Ihnen an der Vorstellung, ins All zu fliegen, auch Angst macht?  

Ja klar. Ich könnte sterben und nicht zurückkommen. Natürlich, mir ist ganz klar, dass das gefährlich ist und natürlich habe ich auch Angst davor. Natürlich überlege ich mir das kritisch. Ich glaube auch, dass Astronauten generell – zumindest heutzutage, am Anfang der Raumfahrt war das vielleicht anders – keine Draufgänger sind. Man muss sich das kritisch überlegen und das tue ich. Es gibt ein erhebliches Risiko nicht wiederzukehren und natürlich macht mir das auch Angst. Aber ich denke es lohnt sich – dafür, was ich selbst daraus mitnehme und was ich vielleicht auch der Gesellschaft zurückgeben kann.  

 

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