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Scheitern

Scheitern als Beruf? Maggie Messer macht´s!

Bilder: Maggie Messer, Lilika Strezoska
Mit 29 pleite und wieder zu Mama ziehen. Alptraum für viele. Maggie Herker hat Ähnliches erlebt. Heute nimmt das aufstrebende Social-Media-Phänomen ihre Follower als „Maggie Messer“ mit auf die Reise und erklärt, warum Scheitern im Leben und Business auch normal sein muss.

Ausschlafen, Matcha Latte trinken, im angesagten Café am Mac Book kreativen ­Content planen und abends noch auf eine gute Party: Ist so ein Leben als Selbstständige:r in der Medienwelt? Zumindest ist es das, was viele auf TikTok, Instagram und Co. vermitteln wollen. Maggie Messer zeigt etwa in ihren humorvollen und ironischen Berlinvlogs, dass das manchmal ganz anders aussieht: große gelbe Briefe vom ­Anwalt, viel Müll, Bierflaschen im Treppenhaus und immer auf der Suche nach sich selbst. Auch das kann es bedeuten, nach Berlin zu ziehen und sein eigenes Business aufzubauen.

Maggie Herker, so ihr bürgerlicher Name, ist 33 und begann eigentlich eine Ausbildung zur ­Mediengestalterin. Die hat sie allerdings nie ­beendet, da sie von Quereinsteigern und Selbstständigen umgeben war und das starken Einfluss auf ihre Entscheidungen hatte. „Zudem hat mir mein damaliger Chef in einer Produktionsfirma knallhart gesagt, er traue es mir nicht zu, dass ich als Selbstständige Geld verdienen könnte. Ob es am Ende Naivität, Dummheit, Mut oder ein gekränkter Stolz war, der mich dazu motivierte, mich selbstständig zu machen, kann ich bis heute nicht sagen“, schildert sie mit einem Schmunzeln.

Es folgten viele tolle Jobs im Foto- und Video-bereich, auch in der Moderation probierte sie sich aus. 2010 begann sie dann damit, sich eine große Community auf ihren Plattformen in den sozialen Medien aufzubauen. Das Markenzeichen sind ­ironische und skurrile Inhalte, mit denen sie ­gesellschaftlich relevante Themen wie Depressionen, Menstruationsprobleme und Scheitern auf unterhaltsame und intelligente Weise behandelt. Ihr einzigartiger Humor und ihre Fähigkeit, schwierige Themen auf eine zugängliche Art zu präsentieren, haben dazu beigetragen, dass sie ­allein auf TikTok rund 42.000 Follower hat. Beim Schauen ihrer Videos fühlt man sich wohl, denn gerade bei unangenehmen Themen wie Fress-­attacken während der Periode sind die meisten Menstruierenden froh, dass jemand sie an- und ausspricht. Aber vor allem darüber lacht.

Authentische Formate mit Pfiff

Auf YouTube und als Podcast veröffentlicht sie das Interviewformat „Scheitern für Anfänger“, in dem sie über alles redet, was bei ihr schiefgegangen ist. Unter dem Motto „Wir zeigen, wie man hinfällt, aufsteht und es besser macht!“ lässt sie Prominente wie Unternehmer Frank Thelen oder Rapper Megaloh in Interviews über das Scheitern reden und zeigt, dass alle mal scheitern. Auch jene, von denen man es niemals gedacht hätte.

Auf die Frage, wie und warum Maggie genau dieses Format weiterentwickelt hat, folgt die ­Antwort prompt: „Schmink-Tutorials gab es schon genug. Was kann ich gut? Klar: Scheitern“, erzählt sie mit einem großen Lachen. Doch damit war sie nicht allein. Sie merkte, dass es einer Menge Künstler:innen, mit denen sie gearbeitet hatte, ebenfalls so erging. „Diese Gespräche, die nach ­einem Videodreh und drei Bier an einem Bartresen entstehen, davon sollten mehr erfahren.“

Neben Interviews mit Menschen aus unterschiedlichsten Sparten und Begebenheiten nimmt Maggie die Zuschauer:innen im Format „Tagebuch des Scheiterns“ mit auf ihre Reise und gewährt ­einen Blick hinter die Kulissen: „Ich fand die ­Metaebene hier sehr spannend. In einem Tagebuchformat den Menschen einen Einblick hinter die Kulissen geben und zeigen, wie auch hier ­Dinge schiefgehen“, schildert sie die Absicht.

Expertin im Scheitern

Mit Anfang 20 war sie auf dem besten Weg, den großen Traum mit Medien in Berlin zu verwirklichen. Als Fotografin hatte sie Fußballgrößen wie Lionel Messi, Cristiano Ronaldo oder Mario Götze vor der Kamera. Dann 2018 der Tiefpunkt: Pleite, Steuerschulden, Konto gesperrt, freiwillig wieder bei Mama eingezogen. Eine Situation, in der sich mehr Menschen wiederfinden, als öffentlich zugegeben wird. Doch Maggie redet darüber, und zwar so authentisch und ehrlich wie die wenigsten. ­Dabei lässt sie die Follower sehen, wie sie selbst manchmal scheitert, und gibt einem vor allem das Gefühl, dass das völlig okay ist.

„Ich hatte ein einkunftsstarkes Jahr. Das Finanzamt gehört zu denen, die am meisten an den ­Erfolg von Künstler:innen glauben. Also gehen sie auch davon aus, dass man mehr Geld verdienen wird, und möchten vorauskassieren“, blickt sie heute scherzhaft zurück. Letztlich fand sie sich in einer Situation mit rund 30.000 Euro Schulden und ausgeschöpftem Dispo wieder. „Meine Selbstständigkeit musste ich zum Teil aufgeben. ­ Vom neuen Einkommen durfte ich nur 1100 im Monat ausgeben, der Rest wurde gepfändet. Nach guten zwei Jahren und einer 60-Stunden-Woche mit Nebenjobs war ich dann schuldenfrei.“

Aus Maggies Sicht war das aber kein Erfolg, denn „Ich war gerade mal auf null“. Mit etwas ­Abstand wird ihr klar, wozu sie fähig ist, selbst wenn es einmal nicht gut läuft. Und obwohl das Ganze seine Spuren hinterlassen hat, nahm sie die Erfahrung als Antrieb, sich einem neuen Trend zu widmen: „Ich spürte, dass das Thema viel Potenzial hat. Damals waren viele Firmen nicht bereit, ein negativ behaftetes Thema zu unterstützen, zumal ich nicht die nötige Reichweite hatte. Die ­Menschen sind fantasielos geworden, seit alles anhand von Zahlen ‚bewertet‘ wird“, findet sie. „Also bin ich den Weg allein gegangen!“

Geschäftsmodell oder Inspiration?

Heute ist „authentisch sein“, wenn man über Scheitern offen spricht, eine erfolgreiche Strategie für viele. Und auch wenn Maggie damit gerade gut fährt, sieht sie es nicht nur als ihr Geschäftsmodell: „Schließlich habe ich das am eigenen Leib durchlebt. Es ist ein schmaler Grat, authentisch über solche Themen zu sprechen, ohne später eine Karikatur seiner selbst zu werden und eine Angelegenheit auszuschlachten.”

Beim Lernen aus Fehlern stehe den Menschen oft vor allem das Wort Prokrastination im Weg. Manchmal wissen sie, warum man scheitert, manchmal nicht. Dieselben Fehler werden immer wieder gemacht. „Das ist aber auf Dauer gar nicht gesund“, erklärt sie. „Fehler machen ist zwar normal, aber wir müssen diese reflektieren.“

Maggie dient als inspirierendes Vorbild für junge Menschen und beweist, dass man sich selbst ­akzeptieren und gleichzeitig erfolgreich sowie glücklich sein kann. „Wenn ich nur einer Person helfen kann, habe ich schon manches erreicht“, sagt sie. „Es fühlt sich aber auch weitaus besser und größer an, als ich gedacht hätte. Und es ist unfassbar inspirierend!“ Erst kürzlich bekam sie eine Nachricht aus ihrer Community, dass jemand in eine neue Stadt gezogen ist, einen neuen Job gefunden hat und glücklicher denn je ist – und dass sie das ihren Videos zu verdanken hat.

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