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Transformation & Nachhaltigkeit

»Lou« Dellert – Klimabrückenbauern mit nachhaltiger Kommunikation

Bilder: Bernd Jaufmann
Für die Influencerin, Buchautorin, Keynote-Speakerin, aber vor allem Social-Media-Unternehmerin Louisa Dellert war das Rocketeer Festival 2023 eine große Bühne. Nicht nur, um ihrem Kampf für Nachhaltigkeit und Klimaschutz die verdiente Plattform zu geben.

First things first: Ihre Vita passt in keine Schublade! Louisa Dellert schloss eine Ausbildung zur ­Kauffrau für Bürokommunikation ab und sollte ­eigentlich irgendwann das Dachdeckerunter-nehmen der Familie übernehmen. Schon damals half „Lou“ ihrem Vater dabei, Photovoltaikanlagen auf Dächer zu montieren, und entdeckte mitunter ­dabei ihre Ader für einen nachhaltigen Lebensstil. 2013 begann die emanzipierte Frau damit, mit ­ihren ­Fitness-Postings auf Instagram Likes und ­Anerkennung zu sammeln. Doch als sie merkte, dass sie sowohl körperlich als auch motivational an ihre eigenen Grenzen kam, packte sie all ihren ­Erfindergeist und Mut zusammen und machte sich selbstständig.

2018 gründete die heute 33-jährige gebürtige Niedersächsin den Online-Shop für nachhaltige Produkte „Naturalou“. Im Sommer 2022 brachte sie zudem die Agentur „aufrichtig media“ an den Start, in der sie als Beraterin für Unternehmen, Verbände, NGOs und politische Akteur:innen agiert. Ihre strategische Kommunikation rund um die Themen Nachhaltigkeit und Politik richtet sich an alle, die Influencer-Marketing und die ­Erstellung von Social-Media-Content betreiben.

Ist sie nicht auf ihrem Spielplatz in den sozialen Medien unterwegs, dann moderiert sie: Im ­NDR-TV-Format „deep und deutlich“ interviewt sie Menschen, die etwas gesellschaftlich Relevantes zu erzählen haben. Beim 2019 ins Leben ­gerufenen Podcast „LOU“ spricht sie mit Politiker:innen, Aktivist:innen und anderen ­Personen, die sie ­interessieren. Frisch zurückgekehrt von einer frühmorgendlichen Joggingrunde durch ihr ­Berliner Wohnviertel, schildert sie im Interview ­ihren Tagesablauf als Unternehmerin.

Louisa, wann klingelt dein Wecker so, wenn du schon so früh zum Sport kommst?

Sehr früh. Ich liebe es, nach dem Aufstehen gegen sechs Uhr mit meinem Lieblingspodcast in den Ohren eine Runde zu laufen. Ab sieben Uhr widme ich mich dann erstmal zwei Stunden der Bearbeitung von Mails oder der Vorbereitung auf die Workshops meiner Kund:innen.

Bist du dann eher eine Influencerin oder Business-­Unternehmerin?

Die beiden Tätigkeiten gehören fest zusammen, denn seit langem besteht mein Job nicht mehr nur darin, einfach in die Kamera zu quatschen und mit ein paar Fotos Content für Social Media zu ­erstellen. Heute verfließen die Tage ineinander, an denen ich Workshops gebe, für Moderationen ­recherchiere oder auf Videodreh bin. Die ­unternehmerische ­Tätigkeit samt all ihren ­administrativen und ­operativen Facetten ist Teil meines ­Tagesablaufs geworden.

Was macht dich zu einer Expertin für Influencer-­Marketing?

Seit 2013 beschäftige ich mich täglich mit Social- Media-Plattformen, bespiele als everyday business über meine Kanäle mehr als eine halbe ­Millionen Menschen. Mit meiner Agentur möchte ich von der Strategieentwicklung für Kampagnen über die Beratung zur Reichweitenoptimierung bis hin zur Unterstützung bei Shitstorms alles bieten, was zu den sozialen Medien ­dazugehört. Ich matche fundiertes Fachwissen zu Kommunikation mit hautnahen ­Erfahrungen. Aber selbst das ist noch nicht genug, um erfolgreich zu sein. Man muss sich permanent challengen, um die Bedürfnisse von sich selbst und der umgebenden Community zu befriedigen! Nicht ohne Grund habe ich mich zuletzt zur Nachhaltigkeitsmanagerin weiterbilden lassen, denn mein Beruf fordert, dass man sich nicht auf Lorbeeren und Klickzahlen ausruht, sondern sich selbst immer neu erfindet und Strategien ­erneuert, wenn sie nicht mehr funktionieren.

Wie hat sich dein Businessplan als Unternehmerin eigentlich entwickelt?

Das war ein fließender Übergang, den ich so nicht durchgeplant hatte. Durch meinen Erfolg auf den Social-Media-Kanälen hatte ich die Plattform, um das Thema Nachhaltigkeit zu transportieren. Gleichzeitig verdiente ich durch verschiedene ­Kooperationen das nötige Geld, um aus einem ­idealistischen Handeln auch konkrete Projekte entstehen zu lassen. Natürlich war ich im Vorteil, im Gegensatz zu beispielsweise einem Start-up, das erst einmal Kapital braucht, um das Produkt voranzutreiben. Mit der Gründung von Naturalou startete mein Dasein als Unternehmerin dann richtig durch und Schritt für Schritt ergaben sich immer wieder neue Projekte, Kooperationen und Business-Investitionen, die für mich sowohl ­idealistisch als auch gesellschaftspolitisch ein ­Erfolgspotenzial boten.

Umweltschutz und nachhaltiges Handeln sind deine Maxime. Siehst du dich als Klimaaktivistin?

Nein, ich sehe mich als Brückenbauerin zwischen den unterschiedlichen Standpunkten von Persönlichkeiten. Ich stelle meine Plattformen und ­Reichweite für klimafreundliche Themen bzw. die ­Kommunikation für Nachhaltigkeit zur Verfügung und versuche, Gegenparteien für unser Ansinnen zu sensibilisieren. Das kann auch mal in Form einer Demo sein, aber stets im Sinne der ­demokratischen Lösungsfindung. Unsere Gesellschaft und die ­Unternehmen sind aktuell in einem starken Transformationsprozess und ein Dialog ist unabdinglich, um die Bedürfnisse von allen ­greifbar zu machen.

Welche Themen umtreiben die heutige Generation, die sich deinen Bemühungen anschließt?

Die junge Generation erwartet authentische und nachhaltige Marken. Deswegen habe ich mir die nachhaltige Kommunikation auf die Fahnen geschrieben und lasse dies in meine Beratungen und ­Workshops einfließen. Meine Community ist für die Zukunft relevant geworden. Wir befinden uns nämlich an dem Punkt, dass unsere Taten über die Nutzung von Recup-Bechern oder das freiwillige Aufsammeln von Plastikmüll hinausgehen müssen. Sowohl im Handeln als auch in der Denkweise. Da sprechen wir nicht über die Probleme vor unserer Haustür, ­sondern die Nöte ganzer Völker und eine globale Sackgasse.

Unterscheidet sich die private Lou von der Person des öffentlichen Lebens?

Ganz und gar nicht. Ich habe nicht ohne Grund seit 20 Jahren einen engen Freundeskreis, der nicht nur aus ­Personen besteht, die so denken wie ich. Mit meinem besten Freund diskutiere ich regelmäßig und kontrovers über das Tempolimit auf ­Autobahnen und die ­damit verbundenen ­CO2-Emissionen. Und auch wenn er seine Autos und das schnelle Fahren liebt, so haben unsere ­Meinungen die gleiche ­Daseinsberechtigung. Die animierten Debatten führen dazu, dass wir uns mit der ­Grundthematik ­verstärkt auseinandersetzen. Ich würde ohnehin niemanden raten, sich ­ausschließlich mit Gleichgesinnten im Freundes- oder Berufskreis zu ­umgeben. Der Perspektivenwechsel ist nämlich unheimlich wichtig, um ­wirklich etwas bewirken zu können.

Welche Schattenseiten bringt die Arbeit in der ­politischen Bubble mit sich?

Anfeindungen oder ­Hasskommentare in den
sozialen Netzwerken sind bei diesem Thema
inklusive. Damit hadere ich schon seit einiger Zeit, obwohl mir meine Arbeit so viel Spaß macht. Die Diskussionen im ­Internet, bei denen die Menschen sich nicht mehr in einer Mitte treffen, arten in
einer Spirale der Negativität aus. Ich ertrage nicht, wenn ­Menschen nicht verstehen, dass eine ­
Kompromissbereitschaft alles ändern könnte.
Wir müssen in der Lage sein, über wichtige Dinge und ­gesellschaftliche Herausforderungen ­sprechen zu können, ohne sofort in die eine Ecke gedrängt zu
werden. Das muss sich ändern.

Wie gehst du persönlich mit Shitstorms und ­medialer Kritik um?

Mit viel Mut und direkter Konfrontation. Mit ­einem User beispielsweise, der wiederholt sehr ­unfreundliche Kommentare unter meine Inhalte gepostet hat, traf ich mich zum konstruktiven ­Dialog auf ­einen Kaffee persönlich. Dabei haben wir unsere Sichtweisen vis-à-vis dargestellt und siehe da: J­edes bisschen negative Stimmung war weg, denn mein Gegenüber wusste sich in seiner Meinungsentfaltung geschätzt, obwohl wir am Ende noch immer zwei völlig unterschiedliche Standpunkte hatten. Ich versuche regelmäßig ­solche Gespräche persönlich, digital oder am ­Telefon zu ­ermöglichen, weil ich in der ­privilegierten Position bin, meine Plattform als Sprachrohr nutzen zu können. Manchmal in ­meinem Sinn, manchmal aber auch nicht. Jedoch stets auf Augenhöhe und ohne den ­ganzen ­emotionalen ­Ballast.

Gibt es ein Erfolgsrezept für Likes und Follower, ohne sich zu verstellen?

Nein, aber ich bin der Meinung, dass jede:r den ­eigenen Signature Move herausarbeiten muss, um Erfolg anzustreben. Wichtig dabei: Es bringt nichts, aus dem Internet zu kopieren! Vielmehr muss man in sich hineinhören. Ich persönlich möchte das ­Authentischste von mir zeigen, auch kritische Themen mit einer Prise Humor rüberbringen ­dürfen oder trotz des Kontroversen den eigenen Standpunkt beibehalten. All das sind Aspekte, die nicht verloren gehen dürfen, wenn man „real“ ­ankommen möchte. Hin und wieder möchte ich Sachen sagen, von ­denen ich weiß, dass sie nicht bei allen gut ­ankommen, aber gleichzeitig nicht zu einer Verbitterung bei mir selbst führen. Ich habe ich mich in den letzten Monaten bewusst mehr zu Freude und Humor in meinem Content entschieden.

Wohin geht das Influencer-Marketing in naher ­Zukunft und was rätst du?

Content Creator:innen der Social-Media-Landschaft werden sich darauf einstellen müssen, dass die lukrativen Kooperationen immer weniger bzw. exklusiver werden. Das Influencer-Budget ­innerhalb des Marketingtopfs wird sich definitiv verschieben. Die Auswahl an Persönlichkeiten auf Twitch, TikTok oder LinkedIn ist so immens, dass Unternehmen und Organisationen ihre Aufträge nicht mehr nur bei einer Person bzw. Community bündeln. Die wirtschaftliche Lage hat sich auch auf dem digitalen Markt verändert und alles wird nun genau analysiert, bevor der Rubel ins Rollen kommt. Also ranhalten und neu erfinden!

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