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JOB QUO VADIS

Bilder: VMM/Playmobil
Auch 2023 hängen Career-Perspektiven eines jeden Menschen von vielen Faktoren ab. Alle möchten die Work-Life-Balance aufrechterhalten, die Generation Z strebt immer mehr nach Selbstverwirklichung und fordert Aufstiegschancen. Gleichzeitig stellen die gestiegenen Lebenshaltungskosten, der Fachkräftemangel vieler Branchen und persönliche Hemmnisse die meisten vor die Frage: Wo soll meine Jobreise hingehen?

Wenn es um den Start ins Berufsleben, einen möglichen Positionswechsel nach vielen Jahren der Comfort-Zone oder den allgemeinen Wunsch nach Berufsveränderung geht, so haben uns die letzten sozio-politisch spannenden Jahre klargemacht, dass in jedem von uns der ein oder andere Wunsch nach mehr Selbstverwirklichung ­schlummert. Doch gleichzeitig plagen uns Sorgen, ob ein solcher Schritt die wirtschaftliche Stabilität oder die persönliche Entfaltungskraft ins Wanken bringen könnte.

Analysiert man die Ergebnisse einer Anfang des Jahres veröffentlichten Studie von LinkedIn, die auf der Umfrage von 2.000 Teilnehmer:innen basiert, so haben sich die Bedürfnisse in der ­Joblandschaft stark verändert: Arbeitnehmer:innen möchten selbstbewusst und autonom in ihrem Berufsfeld agieren. Gleichzeitig haben sich der ­Loyalitätsgedanke und die Dankbarkeit gegenüber dem:r Arbeitgeber:in nicht gefestigt.

Persönliches Bestreben

Trotz der wirtschaftlich und geopolitisch angespannten Lage auf dem Arbeitsmarkt zeigen sich Arbeitnehmende zuversichtlich. Und die Ergebnisse der LinkedIn-Studie sind eindeutig: Klare 90 Prozent der Befragten gaben an, sich selbstbewusst in ihrer derzeitigen Arbeitsrolle zu fühlen. Dies erklärt Barbara Wittmann, Country Managerin von LinkedIn DACH, wie folgt: „In unserer ­ersten Umfrage im Dezember 2021 hatte noch gut ein Drittel (31 Prozent) der Berufstätigen angegeben, der Pandemie bedingte Lockdown und der damit verbundene eingeschränkte Kontakt zu den Vorgesetzten habe ihr Selbstbewusstsein bei der Arbeit negativ beeinflusst. Ein Jahr und eine Wirtschaftskrise später zeigen sich deutsche Ar-beitnehmer:innen widerstandsfähig – die wirtschaftliche Unsicherheit scheint nicht länger an ihrem Selbstbewusstsein zu kratzen.“

Klar herauszulesen ist aus der Umfrage aber auch, dass die Work-Life-Balance noch weiter in das Beurteilungszentrum der Arbeitnehmer:innen gerückt ist. Der Ausbruch einer weltweiten Pandemie oder gar eines Krieges sowie die direkte Konfrontation mit steigenden Strompreisen und einer allgemeinen Verteuerung der Lebensqualität haben viele verstehen lassen, dass das Hier und Jetzt ihnen mehr bedeutet als die Bestrebungen innerhalb einer Karriere. Die Hemmschwelle, für die persönlichen Prioritäten einzustehen, ist gesunken, sodass Arbeitgeber:innen immer mehr darauf angewiesen sind, ihre Strategien für die Bindung der Mitarbeiter:innen neu zu konzeptionieren. Anderenfalls ist ein neuer Job schnell gefunden.

So können sich 59 Prozent der Befragten ­beispielsweise vorstellen, im laufenden Jahr ihren Job zu wechseln. In der Generation Z sind es sogar zehn Prozent mehr. Knapp ein Drittel davon gibt als Beweggrund den finanziellen Aspekt, „mehr Geld verdienen“, an (32 Prozent). 22 Prozent ­sehnen sich nach besserer Work-Life-Balance und weitere 21 Prozent streben nach schnelleren ­Entwicklungsmöglichkeiten. Um dies zu erreichen, fühlt sich nahezu die Hälfte der Befragten dazu bereit (49 Prozent), nach einer Beförderung zu fragen. Fast ähnlich viele möchten sich für eine ­Gehaltserhöhung (47 Prozent) stark machen.

Ein Umdenken findet statt

Auch das Verhältnis zum:r Arbeitgeber:in hat die ­LinkedIn-Studie genauer unter die Lupe genommen. Viele Unternehmen haben sich während der Corona-Pandemie sehr entgegenkommend gezeigt, wenn es um die ­Umsetzung von Homeoffice-Modellen oder – trotz Auftragseinbrüchen – um Gehaltszahlungen ging. Derzeit tendieren sie nach den Jahren des ­Remote-Arbeitens wieder dazu, ihre Angestellten aus dem Homeoffice zurückholen. Dafür zeigen sie sehr wohl die Bereitschaft, die jeweiligen Büros und Arbeitsplätze neu zu ­gestalten oder Zugeständnisse für die individuellen Bedürfnisse zu machen.

Alles gut Kuchen essen also? Mitnichten, ­sondern überraschende Ergebnisse: 33 Prozent der Befragten fühlen sich mit dem Arbeitgebenden nicht verbunden. „Überarbeitung bei gleichzeitig fehlender Wertschätzung“ (60 Prozent) und „keine Loyalität im Beruf“ (56 Prozent) sind hierbei die treibenden Gründe der Unzufriedenheit. Jede:r zweite Befragte (51 Prozent) könnte sich einen Jobwechsel sofort vorstellen. 81 Prozent der ­Umfrageteilnehmenden sind sogar zuversichtlich, trotz Wirtschaftskrise eine neue Stelle zu finden. Ein Fünftel (19 Prozent) signalisiert die Bereitschaft, aufgrund der schnelllebigen Veränderungen bei den Jobanforderungen auf eine eigene Weiterbildung zu setzen. Die LinkedIn-Expertin ­Barbara Wittmann bestätigt das: „Die Fähigkeiten, die wir im Job brauchen, verändern sich immer schneller – weil die Anforderungen in der Arbeitswelt im stetigen Wandel sind, Aufgaben sich ­weiterentwickeln und Prozesse digitalisiert ­werden. Das bietet für Angestellte und Bewerber:innen gleichermaßen die Chance, sich durch Weiterbildung erfolgreich für zukünftige Chancen aufzustellen.”

Wertschätzung entscheidender Faktor

Genau an dieser Stelle sind die Arbeitgeber:innen gefordert, den Trend aktiv umzukehren. Aber wie? ­Mitunter durch ein gezieltes Employer Branding, wie Nina Zimmermann, CEO der Arbeitgeber-­Bewertungsplattform Kununu, findet. Ihrer Ansicht nach ist das nämlich eine erfolgreiche, gezielte Strategie, mit der sich jedes Unternehmen einen ­entscheidenden Vorteil verschaffen kann. „Gutes Employer Branding hat hauptsächlich mit einem authentischen Auftreten zu tun. Die Werte, die das Unternehmen ausmachen, müssen nach außen getragen werden“, erklärt sie. „Oberste Priorität muss dabei sein, die Mitarbeiter:innen in den ­Vordergrund zu stellen.“

Derartige Werte, um sich als Arbeitgeber:in ­attraktiv zu machen, sieht die Kununu-Expertin dabei bei den Themen Flexibilität und Motivation: „Das ist aber nicht nur ein Thema für junge ­Menschen, sondern für alle Mitarbeiter:innen ­eines Unternehmens. Dies entspricht ganz konkret gesagt einfach dem aktuellen Zeitgeist“, stößt Zimmermann an. „Mitarbeiter:innen wollen mehr Freiheit, weniger ‚Top-Down‘, weniger Ansagen. Sie wollen, dass ihnen zugehört wird und sie ­mitgestalten dürfen.“ Daran anschließend stehe auch der Wert ‚Purpose‘. Das bedeutet: „Warum mache ich das, was ich mache?“ Immer mehr Mitarbeiter:innen ­hinterfragen den Zweck ihrer ­eigenen ­Aufgaben im Betrieb. Ein guter Purpose ist das, was viele Menschen heutzutage antreibe, ­schildert Zimmermann.

Gehalt schnell zweitrangig

In vielen Branchen und unterschiedlichen Berufen kann die ­mangelnde Wertschätzung durch ein ­relativ gutes Gehalt zwar temporär ausgeblendet werden. Doch für wie lange und ist das wirklich zielführend für die Ambitionen von beiden Seiten? Zimmermann ist sich da nicht ganz so sicher und formuliert es folgendermaßen: „Das ­würde ich dann aber nicht als Gehalt, sondern eher als‚ Schmerzensgeld‘ ­bezeichnen. Wenn man mit ­Bewerber:innen redet, sagen sie, Gehalt ist der ­wichtigste Punkt, weshalb sie in ein Unternehmen eintreten. Es ist aber nicht mehr der alles ­entscheidende Faktor, weshalb sie ­bleiben. Wenn man in ein Unternehmen richtig eingetaucht ist und dort eine gute Unternehmenskultur gelebt wird, wird das Gehalt schnell zweitrangig.“

Wohin auch immer sich die Karrierelandschaft und die damit verbundenen Perspektiven in naher Zukunft entwickeln werden, es gilt es sowohl für Arbeitnehmer:innen als auch Arbeitgeber:innen die jeweiligen Ambitionen und Ziele grundlegend zu hinterfragen. Denn Fakt ist auch: Die Menschen möchten ihre Arbeit heute als Teil einer für sie sinnvollen und persönlich auch umsetzbaren ­Philosophie sehen. Die Karriere darf nicht zu einer Baustelle werden, auf der man sich von Projekt zu Projekt hangelt.

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