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Zukunftstechnologie

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Grüner Wasserstoff – Viel Hype um nichts?

Farbenspektrum Wasserstoff
Wasserstoff hat viele Farben
Grüner Wasserstoff wird als Zukunftstechnologie gehypt. Doch was steckt dahinter und was macht den Wasserstoff eigentlich grün?

Grüner Wasserstoff wird als der Heilsbringer in der Energiewende gehypt. Er soll fossile Energien ersetzen und so hunderttausende Tonnen des Klimakillers C02 einsparen. Wasserstoff soll in Zukunft unsere Autos antreiben, Strom erzeugen und unsere Wohnstuben heizen. Was ihn vor allem interessant macht: Er hat das Potenzial grüne Energien zu speichern. Aktuell eine der größten Herausforderungen in der Energiewende.

Doch wie entsteht dieser Heilsbringer? Wasserstoff entsteht, indem man mit Hilfe von Strom Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff spaltet. Bei dem sogenannten Elektrolyse-Verfahren wird als Nebenprodukt Sauerstoff freigesetzt. Somit ist die Spaltung mehr als umweltfreundlich.

Doch einen Haken gibt es: Der Strom, der dafür verwendet wird, wird aktuell fast zu mehr als 90 Prozent durch fossile Brennstoffe wie Erdgas erzeugt. Dabei werden große Mengen an C02 freigesetzt – der Wasserstoff ist also nicht umweltfreundlich. Die Lösung: Erneuerbare Energien für die Gewinnung des Stromes nutzen. Denn dann wird der Wasserstoff tatsächlich grün.

Die Effizienz von Wasserstoffautos

Doch wäre grüner Wasserstoff die Lösung für das CO2-Problem im Individualverkehr? Was viele nicht wissen: Wasserstoffautos sind auch Elektrofahrzeuge. Der Unterschied zu vollelektrischen Fahrzeugen ist, dass eine Brennstoffzelle mit einem Wasserstofftank verbaut ist. Während der Fahrt wird so Strom für den Antrieb produziert.

„Der große Nachteil des Wasserstoffantriebes ist, dass er einen, im Vergleich zum reinen E-Antrieb, extrem schlechten Wirkungsgrad hat“, erklärt Mobility-Experte Michael Brecht. Bei einem Wirkungsgrad von 22 Prozent – bei einem Elektroauto sind es mehr als 70 Prozent – braucht man sehr viel Wasserstoff für den Betrieb eines Autos. So viel grünen Wasserstoff zu produzieren, sei derzeit unmöglich. „Auch wenn wir zukünftig durch den Bau großer Pipelines verflüssigten ‚grünen‘ Wasserstoff quer durch die Welt transportieren, so lohnt sich auf keinen Fall der Aufbau eines weiteren, flächendeckenden H2-Tankstellennetzes für das Beliefern der Pkws der Autofahrer.“

Der nächste große Nachteil, neben dem Wirkungsgrad, ist das Tanken der Autos. Man bräuchte unzählig viele Wasserstofftankstellen, die auf ganz Deutschland verteilt sein müssten. Und im besten Fall auch im Ausland. „Das ist nicht umsetzbar, da vor allem schon so viel in die Elektromobilität investiert wurde“, sagt Brecht.

Anders ist es bei Wasserstoff betankten Lastkraftwägen, auch Flugzeuge, Züge und Busse fallen darunter. „Generell gilt: je größer das Fahrzeug in einem Flottenverbund, desto eher ist grüner Wasserstoff geeignet“, erklärt der Experte. Denn anders als bei Autos, müsste man „nur“ zentrale Depots für das Tanken errichten.

Wasserstoff betankt LKWs

Und genau hier setzt die MAN Truck & Bus an. Sie testet Elektro-LKWs mit Wasserstoff-Brennstoffzellen. Besonders für schwere Nutzfahrzeuge sieht die MAN im Gegensatz zur batterieelektrischen Mobilität zwei Vorteile: Zum einen können die Brennstoffzellen-Lastkraftwägen mit einer Tankladung Wasserstoff etwa 800 Kilometer weit fahren. Außerdem ist ein leerer Tank innerhalb weniger Minuten wieder voll.

Doch auch die MAN sieht das Wasserstoff-Tankstellen-Problem: „Das beste Wasserstofffahrzeug nützt unseren Kunden nichts, solange es keine ausgebaute Infrastruktur gibt, um Wasserstoff zu günstigen Preisen zu tanken“, erläutert Andreas Bug, der für die passende Strategie bei der MAN verantwortlich ist. Die schon in Europa vorhandenen Wasserstofftankstellen sind nur bedingt für das Betanken von Nutzfahrzeugen für den Fernverkehr geeignet.

Synthetisches Erdgas für die Schifffahrt

Doch kein LKW-Dieselmotor sorgt für solch hohe CO2-Ausstöße wie es Schiffe tun. Wie eine Studie des europäischen Think Tanks „Transport & Environment“ (T&E) ergab, stoßen Containerschiffe, Fähren und Kreuzfahrtschiffe in Europa ganze 139 Millionen Tonnen CO2 aus. 59 Millionen Tonnen davon entfallen auf Schiffe, die Konsumgüter an Bord hatten, 20 Millionen Tonnen auf den Passagierverkehr und 53 Millionen Tonnen auf Schiffe, die Schuttgüter geladen hatten. Zum Vergleich: 160 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente verursacht der gesamte Verkehrssektor in Deutschland pro Jahr.

Deswegen arbeitet MAN ES an der maritimen Energiewende. Ein wichtiger Meilenstein wurde im Herbst dieses Jahres gefeiert: Erstmals wurde ein kommerzielles Containerschiff mit CO2-neutralem synthetischen LNG (Liquid Neutral Gas) betankt. Bislang fuhr das Containerschiff „ElbBlue“ mit aus fossilen Rohstoffen hergestelltem, flüssigem Erdgas, sogenanntes LNG (Liquid Neutral Gas). Jetzt gibt es diesen Treibstoff in synthetischer Form (SNG). Hergestellt wird der klimaneutrale Treibstoff auf einer Power-to-Gas-Anlage der Kiwi AG. Aus Windkraft entsteht hier grüner Wasserstoff. Dieser wird in einer Methanisierungsanlage mit CO2 versetzt, um synthetisches Methan zu produzieren. In einer speziellen Verflüssigungsanlage entsteht SNG. Das für den Prozess benötigte CO2 kommt aus dem Abgasstrom der benachbarten Biomethan-Anlage.

Stefan Eefting, Senior Vice President und Leiter von MAN PrimeServ in Augsburg, erklärt: „Heute zeigen wir, dass jedes für den LNG-Betrieb nachgerüstete Schiff auch mit grünen Kraftstoffen aus Power-­to-X betrieben werden kann – oder mit einem Kraftstoffmix.“ Und ergänzt: „Wenn es darum geht, die zukünftigen Emissionen aus den globalen Lieferketten zu senken, spielen synthetische Kraftstoffe und die Nachrüstung von Motoren eine entscheidende Rolle: Die Umstellung auf den Gasbetrieb reduziert die Emissionswerte eines Schiffs und synthetische Kraftstoffe wie SNG ermöglichen perspektivisch einen 100 Prozent klimaneutralen Betrieb.“

Wasserstoff aus Klärschlamm und Plastikabfällen

Das Augsburger Start-up Green Hydrogen Technology hat eine etwas andere Methode entwickelt, um grünen Wasserstoff herzustellen. Es handelt sich um ein zweistufiges Verfahren. Die Ausgangsstoffe, Klärschlamm und Plastikabfälle, werden mit Hilfe von reinem Sauerstoff sehr stark erhitzt – solange, bis sie in Heißgas umgewandelt sind. Aus diesem Synthesegas wird dann gasförmiger Wasserstoff gewonnen. Zudem enthält man als Nebenprodukt weitere Bestandteile des Ausgangsstoffes in reiner Form. Bei Klärschlamm ist das beispielsweise wertvoller Phosphor. Alle abgetrennten Basisprodukte können wiederverwertet werden – ein großer Vorteil. Das anfallende CO2 wird am Ende des Prozesses als verwertbares technisches Gas abgeschieden. Das Verfahren ist absolut klimaneutral und es fallen keine Giftstoffe an.

Im November dieses Jahres begann der Bau der Versuchsanlage. Mitte des Jahres 2022 hat Green Hydrogen Technology geplant, dass die fertige Anlage erstmals aus Thermoplastik Wasserstoff erzeugt.

Informationen:

DER WASSERSTOFF-REGEN­BOGEN
Wasserstoff hat viele Farben. Sie leiten sich aus den Ausgangsstoffen und Herstellungs- sowie Speicherverfahren ab. Schwarzer Wasserstoff beispielsweise wird unter Einsatz von Steinkohle erzeugt. Türkiser Wasserstoff wird durch den Methanpyrolyseprozess erzeugt. Bei diesem Prozess wird Methan in Wasserstoff und festen Kohlenstoff gespalten, der z.B. in alten Bergwerksstollen gespeichert werden kann. Nur grüner Wasserstoff wird mithilfe erneuerbarer Energien erzeugt.
Quelle: IKEM, Kurzstudie | Wasserstoff-Farbenlehre

Power-to-X
Power-to-X umfasst alle Technologien, die es ermöglichen, dass Ökostromüberschüsse in einen chemischen Energieträger überführt werden. Neben Power-to-Heat (Wärme) und Power-to-Liquid (flüssige Kraftstoffe) ist vor allem die Power-to-Gas-Technologie im Fokus. Bei der Elektrolyse wird das Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Anschließend wird es unter der Zugabe von Kohlenstoffdioxid methanisiert und ins Erdgasnetz eingespeist. Zwei Wassermoleküle werden in zwei Wasserstoffmoleküle und ein Sauerstoffmolekül aufgespalten. Die Elektrolyse kann mittels alkalischen Elektrolyseuren oder PEM-Elektrolyseuren erfolgen. Eingespeist werden kann das EE-Gas an jeder beliebigen Stelle ins Erdgasnetz.

 

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