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Laser statt Knöllchen

Fahren auf unseren Straßen bald Scanfahrzeuge?

Scanfahrzeuge von Cityscanner
Scanfahrzeug von Cityscanner
Statt vor Beamt:innen mit Erfassungsgeräten, müssen sich Falschparker:innen vielleicht bald vor Autos mit Scanner in Acht nehmen. Wir sprechen mit einem Experten.

Autos in zweiter Reihe, Feuerwehreinfahrten oder auf dem Radweg: In Städten fast schon Normalbild. Dabei sind genau solche Falschparker der Grund für einen großen Teil der Fußgänger- und Fahrradunfälle. Eine aktuelle Studie der Unfallforscher der Versicherer zeigt das Ausmaß:  Während offiziell nur fünf Prozent aller Unfälle mit Verletzten Fußgängern und Radfahrern im Zusammenhang mit parkenden Fahrzeugen stehen, ist es nach der Studie mit 18 Prozent fast jeder Fünfte.

Laser statt Knöllchen

In Städten fehlt oft das Personal, um Parkraum effektiv zu kontrollieren. Die Lösung könnten Scanfahrzeuge sein. In einigen europäischen Städten sind sie bereits im Einsatz. Die Fahrzeuge sollen die Überwachung von Parkplätzen einfacher machen, weil sie geparkte Autos wesentlich schneller und effizienter kontrollieren können, als menschliche Kolleg:innen.

Scanfahrzeuge als Smart City Baustein

Doch nicht nur das: Andreas Fleischmann, globaler Vertreter von Cityscanner, sieht Scanfahrzeuge als wichtigen Baustein für eine moderne Smart City. Wir haben uns mit ihm unterhalten, um mehr über das Konzept und die Technik der Scanner zu erfahren und die Stadt von morgen zu diskutieren.

 

Was macht Cityscanner? Was ist die Vision dahinter?

Cityscanner ist ein sogenanntes mobiles Multisensor System. Mit Hilfe von Sensoren, optischen Erfassungssystemen und Lidar (eine spezielle Art von Laser) können unterschiedlichste Daten erfasst werden. Diese werden dann mit der Unterstützung von Fusionsalgorithmen und KI zu wertvollen Informationen über die Lage in der Stadt aufbereitet.

Zurzeit wird unser System zur Verkehrs- und Parkraumüberwachung eingesetzt, wir scannen also, ob jemand sein Parkticket gezahlt hat oder nicht, oder ob Autos Rettungsgassen blockieren. Der Cityscanner kann aber auch beispielsweise Daten über die Luftqualität liefern. Langfristig wollen wir unseren Scanner als Baustein für eine Smart City etablieren, der die nötigen Daten über die Lage der Stadt für zukunftsgerichtete Entscheidungen liefert.

Ist euer Scanner bereits im Einsatz?

Eine Version des Scanners ist seit 14 Monaten in Warschau zur Parkraumüberwachung im Einsatz. Der dortige Erfolg des Systems ist absolut bemerkenswert. Durch den Einsatz des Cityscanners – dort noch unter dem Namen „e-kontrola“ bekannt – konnte unter anderem der Suchverkehr für Parkplätze erheblich minimiert und als Folge eine Menge CO2 eingespart werden. Außerdem hat die Stadtverwaltung durch den Einsatz von drei Cityscanner Fahrzeugen innerhalb von sechs Monaten Mehreinnahmen in Höhe von über eine Millionen Euro erzielt.

Obwohl für uns die wichtigsten Argumente, die für einen Einsatz des Cityscanners sprechen, nicht in erster Linie die Einnahmen sind. In einer Vielzahl von Untersuchungen und Forschungen im Rahmen aktueller Smart City Projekte wurde gezeigt, dass ein aktives Parkraummanagement einen erheblichen und positiven Einfluss auf die Lebensqualität und Sicherheit von urbanen Zentren hat. Ich möchte hier explizit auch auf die kürzlich veröffentlichten Publikationen „Parkraummanagement lohnt sich!“ und „Fotobeweis am Straßenrand“ der Initiative Agora Verkehrswende verweisen. Unter anderem wird darin der ursächliche Zusammenhang zwischen Parkverstößen und dem erhöhten Unfallrisiko für Fußgänger und Fahrradfahrer beleuchtet. Das macht deutlich, wie wichtig aktive Kontrollen in dem Bereich sind.

Cityscanner wird auf der Website als „Parkraummanagementsystem“ beworben – gibt es noch andere Anwendungsmöglichkeiten?

Neben der Parkraumkontrolle können mit dem Cityscanner auch Daten zur Luftqualität erfasst werden. Vor allem auch Schadstoffkonzentration wie NOx, Stickstoff und CO2 und  Feinstaub.
Die Erfassung dieser Werte an unterschiedlichen, variablen Stellen innerhalb einer Stadt und unabhängig von Tages- und Nachtzeit stellt ein Novum dar. Bisher mussten an allen gewünschten Messstellen feste Sensoren installiert werden. Dadurch, dass unser Scanner mobil ist, kann ganz einfach und effizient ein Luftqualitätsabbild des gesamten Stadtgebiets erstellt werden. Die erfassten Daten werden mit Hilfe unserer KI basierten Algorithmen zu wertvollen Informationen für die Entscheider in den Städten.

Das ist dann natürlich auch insofern spannend, wenn es um die Abbildung des „Digitalen Zwillings“ geht, der für Smart City Bemühungen extrem hilfreich sein kann. Also ein digitales Abbild der Lage der Stadt, durch das Zusammenhänge erforscht werden können. Beispielsweise „Was passiert, wenn die Straßenbahn ausfällt?“: Wie viele Leute steigen dann auf das Auto um? Wo entstehen Staus? Und wo erhöht sich die Luftverschmutzung? Je besser der digitale Zwilling ist, desto besser lassen sich Entwicklungen vorhersagen. Und solche Modelle funktionieren natürlich umso besser, je mehr Daten man zur Verfügung hat.

Wie stellt ihr die Sicherheit der gescannten Daten sicher?

Sämtliche Daten werden entsprechend den gültigen europäischen Datenschutzrichtlinien verarbeitet. Man muss dabei aber natürlich die unterschiedlichen Anwendungs- und Einsatzmöglichkeiten gesondert betrachtet.

Die automatisierte Parkraumüberwachung – bei der (partielle) Kennzeicheninformationen erfasst und ausgewertet werden – stellt eine erheblich höhere Anforderung an die Datensicherheit, als zum Beispiel die Erfassung der Luftqualität.

Um die Sicherheit der Daten zu gewährleisten, kommen sogenannte „on the edge“ Algorithmen zum Einsatz. Dabei werden – sehr vereinfacht erklärt –  Bilder bereits während der Erfassung und im Cityscanner selbst vollständig anonymisiert. Dieser Vorgang ist nicht reversibel und es werden keine Rohdaten nach außen übermittelt. Nur die Daten, für die es eine gesetzlich legitimierte Verarbeitungsgrundlage gibt, werden weiter auch verarbeitet.

Sind solche Kamera-Systeme nicht ein Schritt in Richtung Überwachungsstaat?

Diese Diskussion wird – insbesondere hier in Deutschland – zurecht seit Jahren sehr intensiv geführt. Und mit jedem Erscheinen einer neuen Technologie muss sie auch aufs Neue geführt werden.

Wie man beispielsweise in der Diskussion um die Verwendung von Kennzeichenerfassung im Rahmen der Durchsetzung von Dieselfahrverboten sieht, sind die juristischen Abwägungen in Deutschland ziemlich akribisch und detailliert. Die Gefahr, dass in Deutschland oder auch im restlichen Europa neue Technologien missbraucht werden, um Schritte in Richtung Überwachungsstaat zu unternehmen, sehe ich persönlich nicht. Da habe ich ein unerschütterliches Vertrauen in unsere Rechtsstaatlichkeit und die hier tätigen Organe.

In unserem speziellen Fall gibt es aktuell noch keine deutsche höchstrichterliche Entscheidung. Aber die Digitalisierung des Parkens auf der Anwenderseite nimmt immer mehr zu. Der Anteil derer, die Parkberechtigungen per App bezahlen wird ständig mehr und viele andere Bereiche von Sondernutzungen (Anwohnerparkausweise oder Sonderberechtigungen für Personen mit körperlichen Einschränkungen) sind bereits digital mit dem Kennzeichen verknüpft.

Der Einsatz unseres Cityscanner Fahrzeugs zur Parkraumüberwachung wirft natürlich verfassungsrechtliche Fragen in Bezug auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung auf. Diesen Bedenken werden sowohl auf der technischen Seite als auch auf Seiten der Anwendungsgestaltung durch die Betreiber (Städte und Kommunen) Rechnung getragen. Eine sorgfältige Abwägung der Vorteile, hier gilt insbesondere die erhebliche Erhöhung der Sicherheit im Straßenverkehr für unsere schwächsten Verkehrsteilnehmer – Kinder und Ältere – muss und wird in Deutschland vorgenommen. Die ordnungsgemäße Verfolgung und Bestrafung von Rotlichtverstößen ist ja auch eine Selbstverständlichkeit.

Eure Zielgruppe sind vor allem Städte. Wie schwierig ist es, solche Institutionen von neuen Ideen zu überzeugen?

Wie gerade gesagt befinden wir uns in Deutschland aktuell in einer Übergangsphase. Die verbindlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen fehlen. Das ist aktuell die größte Hemmschwelle für Städte und Kommunen, wenn es um den Einsatz von Cityscanner geht.

Außerdem betreffen Smart City Ansätze – wozu wir uns ja auch zählen – eine Vielzahl unterschiedlicher Ämter und Abteilungen innerhalb der Stadtverwaltungen. Das macht es teilweise schwierig, die richtigen Ansprechpartner zu finden, oder Prozesse effektiv anzustoßen. Für uns wäre eine koordinierte Vorgehensweise der Städte über ein Lenkungs-Komitee hilfreich, beispielsweise ein Smart City- oder Mobilitätsreferat als Bündelungsbehörde.

Wie sieht für dich die Stadt der Zukunft aus?

Spätestens im Jahr 2040 werden unsere Städte CO2 neutral funktionieren und der vollelektrische Individualverkehr wird informationstechnologisch vernetzter und integraler Bestandteil der öffentlichen Transportsysteme sein.

Ich glaube auf absehbare Zeit wird es nach wie vor Individualverkehr in Städten geben. Eine vollkommen autofreie Stadt sehe ich innerhalb der kommenden 20-30 Jahre nicht. Aber die Vorrangstellung des Autos gegenüber anderen Verkehrsmitteln wie Fahrrädern, Scootern usw. wird zurückgehen. Die schrittweise Reduktion des Autoverkehrs in den Innenstädten, bei gleichzeitiger Anpassung und Individualisierung des öffentlichen Verkehrs ist das Ziel.

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