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Death Tech

Das Geschäft mit dem Tod: Die Gründerin des „Death Tech“-Startups Emmora im Gespräch

Evgeniya Polo, Co-Founder von Emmora
Emmora-Mitgründerin Evgeniya Polo
Der Tod enttabuisiert: Auf der Plattform Emmora kann sich Jede:r einfach und zugänglich mit Bestattungen auseinandersetzen - auch der eigenen.

Der Tod ist eine Angelegenheit, mit der sich eigentlich wenige Menschen gerne freiwillig auseinandersetzen. Evgeniya Polo und Victoria Dietrich haben das Startup Emmora gegründet, um das Thema zugänglicher zu machen. Emmora ist eine Plattform, die Services rund um das Thema Lebensende und Trauer anbietet. Man kann dort beispielsweise nachschauen, wie viel eine Baumbestattung in München kostet – und wenn man möchte, kann man sie auch gleich planen. Für Angehörige oder auch für sich selbst. Emmora funktioniert dabei als Vermittler und Organisator, mit einem Team, das sich um einen reibungslosen Ablauf kümmert und Ansprechpartner:innen stellt.

Vielversprechend durchgestartet

Die Mission sei es, „Licht ins Dunkel“ zu bringen, und Bestattungen zu einem würdevollen Erlebnis zu gestalten. Mit diesem Grundgedanken gründeten Evgeniya Polo und Victoria Dietrich 2018 gemeinsam Emmora. Zusammengekommen waren die beiden Gründerinnen über ein Summer Camp der Initiative Grace, die Frauen auf dem Weg zur Gründung unterstützt. Mittlerweile konnten Evgeniya und Victoria den Berliner Accelerator APX von ihrer Idee überzeugen und sich eine Förderung sichern. 2020 ist Emmora so mit dem operativen Geschäft gestartet. Seitdem hat das junge Startup sein Team mehr als verdoppelt und konnte die Versicherungsgruppe die Bayerische als Partner mit an Bord holen.

Mitgründerin Evgeniya Polo im Gespräch

Wir haben uns mit Mitgründerin Evgeniya Polo unterhalten, um mehr über das Geschäftsmodell von Emmora und die Zukunftspläne des jungen Startups zu erfahren. Auch über persönliche Motivation, Beerdigungstrends und den Tod an sich haben wir gesprochen.

Wieso hast du dich dazu entscheiden, Emmora mitzugründen? Wolltest du schon immer ein eigenes Start-up aufbauen?

Nach meinem Studium habe ich in einigen Großunternehmen, aber auch in Startups in den verschiedensten Bereichen gearbeitet.
Ich habe schnell festgestellt, dass mir das Thema Business Development extem liegt – es vereint all das wofür mein Herz brennt: das Strategische, die Zusammenarbeit mit Menschen und die klare Lösungsfindungs-Menthalität.

Mir war klar, dass ich diese Elemente in einem eigenen Unternehmen einbringen möchte.
Mein Wunsch war es, ein gesellschaftlich relevantes Thema anzugehen und ein Produkt mit Mehrwert zu schaffen. Es war also wirklich ein schicksalsträchtiger Glücksfall, dass ich Victoria im Grace Summer Camp kennenlernte, die zu der Zeit wegen persönlicher Erfahrungen mit der Bestattungsbranche ganz klar Verbesserungsbedarf dort gesehen hat. So entstand unsere gemeinsame Idee für die digitale Plattform Emmora.

 

Wirst du manchmal komisch angeguckt, wenn du Leuten sagst, dass du eine Plattform für Bestattungen betreibst?

Ganz im Gegenteil – gefühlt hat jeder eine Geschichte parat, wenn man erst einmal anfängt über den Tod zu sprechen. Ich merke, dass die Leute neugierig sind, viele Fragen stellen und großes Interesse am Thema haben. Das zeigt mir immer wieder, wie groß das Bedürfnis der Menschen ist, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen.

 

Was sind eure langfristigen Ziele für Emmora? Was sind wichtige Meilensteine, die ihr in den nächsten Jahren erreichen wollt?

Wir arbeiten tagtäglich daran, Emmora zu einer „Go-to-Plattform“ für Vorsorge, Bestattungen und Trauer zu entwickeln. Wir inspirieren Menschen, den Abschied im Sterbefall individuell und achtsam zu planen. Gleichzeitig entlasten wir die Angehörigen mit unserer Dienstleistung und haben die Vision, das Thema Tod gesellschaftsfähig zu machen. Zu den wichtigsten Meilensteinen gehört unsere deutschlandweite Verfügbarkeit und die Schaffung von digitalen Prozessen, die Menschen den Zugang zu den Themen Tod und Trauer erleichtern. Wir wollen die digitale Anlaufstelle werden, die einen würdevollen und gleichzeitig modernen und zeitgemäßen Abschied ermöglicht. Einen Abschied, der in schöner Erinnerung bleibt.

 

Habt ihr eine bestimmte Zielgruppe, die ihr mit Emmora ansprechen wollt?

Das Thema Tod betrifft uns ja alle irgendwann. Inzwischen sind die meisten Menschen digital affin und so stellen wir uns als digitale Marke mit viel Fokus auf Empathie, individuelle Begleitung und absolute Transparenz auf – für jeden!

 

Seit eurer Gründung 2019 konntet ihr schon den Accelerator APX von eurer Idee überzeugen und habt seit neuestem eine Kooperation mit der Versicherungsgruppe die Bayerische. Außerdem hat sich euer Team mehr als verdoppelt. Glaubst du die Corona Pandemie war ein Faktor für euren Erfolg? Hat sie das Thema Tod mehr in die Mitte der Gesellschaft geholt, oder war diese Tendenz schon vorher präsent?

Wir arbeiten in einer Branche, die aufgrund der Corona Pandemie digitaler geworden ist. Die Menschen mussten sich notgedrungen mehr mit der digitalen Welt befassen und sind dadurch natürlich auch digital gereift. In Zeiten der sozialen Isolation ist das Internet mehr denn je zur ersten Anlaufstelle für Kontakte geworden. Das Thema Tod ist während der Pandemie allgegenwärtig und täglich in den Medien zu finden. Ich habe den Eindruck, dass der Tod für die Menschen sichtbarer geworden ist – das sehen wir vor allem am gestiegenen Interesse für das Thema Bestattungsvorsorge.

 

Gibt es bestimmte „Trends“ in Bezug darauf, wie Leute beerdigt werden wollen?

Wir merken schon, dass Individualität eine immer größere Rolle bei der Bestattungsplanung einnimmt. Viele kümmern sich schon zu Lebzeiten um ihre eigene Bestattung, um sicherzustellen, dass ihre Wünsche und Vorstellungen realisiert oder zumindest berücksichtigt werden. Und auch Hinterbliebene sind immer mutiger in der Gestaltung von Trauerfeiern und der Wahl der Bestattungsart. Auch der Nachhaltigkeitsgedanke hat in der Bestattungsbranche Einzug gehalten. Viele unserer Kunden interessieren sich für eine Baum- oder Seebestattung, was auch sicherlich damit zusammenhängt, dass Hinterbliebene beim Thema Grabpflege entlastet werden sollen. Um sich zu erinnern und den Verstorbenen zu gedenken, brauchen wir heute nicht mehr zwangsläufig einen Friedhof.

 

In den Medien wird euer Unternehmen oftmals als „Death Tech“-Startup bezeichnet. Findest du das morbide?

Nein, auf keinen Fall. Schließlich gestalten wir mit Hilfe von Technologien einfachere und schnellere Prozesse. So können sich die Menschen im Sterbefall auf das Wesentliche konzentrieren – auf ihre Trauer und auf das Für- und Miteinander. Wer will in so einer Situation schon Sterbeurkunden beantragen? Das zum Beispiel übernehmen wir. Gleichzeitig unterstützen und begleiten wir die Menschen mit Tipps und Informationen im Umgang mit Trauer – ganz egal ob es der Verlust eines Familienmitgliedes oder eines Arbeitskollegen ist. Denn vor dem Thema Trauer sollten wie die Augen nicht einfach verschließen.

Death Tech trifft es demnach schon ziemlich auf den Punkt.

 

 Auch in eurem Podcast „ende gut.“ diskutieren du und Victoria Dietrich regelmäßig mit verschiedenen Experten über den Tod. Was ist ein Thema, das dich im Zusammenhang mit dem Sterben besonders beschäftigt oder fasziniert?

Ich finde es super spannend, dass jeder von uns das Sterben nur einmal erleben wird, demnach kann es niemand teilen und davon berichten. Natürlich gibt es Nahtod-Erfahrungen, die uns eine Idee davon geben, was auf uns zukommen könnte, trotzdem gibt es keine Gewissheit und unser Ende bleibt weiterhin ein Mysterium. Genau deshalb ist der Tod für uns Menschen wahrscheinlich auch so schwer greifbar. Auf der anderen Seite lässt uns genau diese Ungewissheit aber auch wahnsinnig viel Spielraum für die eigene Fantasie – es ist schön, wie vielfältig die Meinungen darüber sind, was nach dem Tod mit uns passiert. Aus philosophischer Sicht finde ich die Themen Leben & Tod ohnehin extrem faszinierend. Schön also, dass ich mich tagtäglich damit auseinandersetzen darf.

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